Wenn man sich ganz nüchtern die Zahlen ansieht, dann kann man Change und jede Art von Veränderungsprojekten eigentlich komplett vergessen. Sie glauben mir nicht? Dann habe ich hier ein paar Beispiele für Sie.
83 Prozent der weltweit befragten Top-Manager gaben in der Kotter-Strategy-Study an, dass Strategien in ihrem Unternehmen nicht richtig verstanden werden. Je nach Untersuchung scheitern zwischen 60 und 70 Prozent der Veränderungsprojekte in Unternehmen. Und es dauert im Schnitt 66 Tage, bis eine von Ihnen selbst gewünschte Verhaltensänderung zur Gewohnheit wird – vorausgesetzt, Sie arbeiten jeden einzelnen Tag daran.
Keine guten Voraussetzungen also. Und doch ist der Verzicht auf eine Veränderung auch keine Option – weder im Privatleben noch im Job. Ohnehin neigen wir dazu, Change zu lange aufzuschieben. Es ist die klassische Prokrastination. Es geht auch so. Bis es eben dann irgendwann nicht mehr geht.
Change wird nicht einfacher, wenn Sie länger warten
Aber warum ist Veränderung eigentlich so eine große Sache? Warum lösen Veränderungen bei so vielen Menschen Unbehagen aus? Was bedeutet es, wenn man ständigem und unvorhersehbarem Change ausgesetzt ist, wie es in unserer VUCA-Welt fast an der Tagesordnung ist. Braucht jede Veränderung Change-Management? Und kann man Change überhaupt managen?
Die meisten Menschen sehen Veränderungen zunächst einmal negativ – vor allem, wenn sie diesen unfreiwillig ausgesetzt werden und sie nicht erwarten, dass der Change ihr Leben verbessern wird. Aber auch, wenn klar ist, dass eine Veränderung sich durchaus positiv auswirken würde, fällt es uns oft schwer, uns darauf einzulassen.
Ein klassisches Beispiel sind Diäten oder andere gute Vorsätze, die wir fassen, zum Beispiel mehr Sport zu machen oder weniger zu rauchen. Wir wissen ganz genau, dass das Ergebnis super wäre, weil wir besser aussehen würden oder gesünder wären. Und? Genau, meistens klappt es trotzdem nicht.
Warum sollte sich jemand für Ihre Ideen begeistern?
Auf einer professionellen Ebene ist es nicht viel anders. Als Unternehmer, CEO oder Führungskraft haben Sie natürlich eine Vision, Sie wissen wo sie hinwollen und entwickeln Strategien, wie das gelingen soll. Und meistens sind Sie auch entschlossen und motiviert genug, dies durchzuziehen. Aber bedenken Sie: Es ist Ihre Vision und nicht die Ihrer Chefs, Kollegen und Mitarbeitenden. Warum sollten sie sich ausgerechnet für Ihre Ideen begeistern?
Um den so weit verbreiteten Unwillen oder sogar Widerstand gegen jede Art von Veränderung zu begreifen, muss man verstehen, wie unser Gehirn funktioniert. Wir wissen zwar alle, dass unser Bewusstsein von unserem Unterbewusstsein beeinflusst wird, aber ich glaube, dass den wenigsten Menschen bewusst ist, wie groß der Einfluss des Unterbewusstseins ist. Und gerade Kopfmenschen sind hier besonders gefährdet, weil sie sich gar nicht vorstellen können, dass der Verstand nicht alles kontrollieren kann.
Inzwischen ist aber gut erforscht, dass unser Unterbewusstsein, in dem unsere Überzeugungen, unsere Emotionen, unsere Bedürfnisse und vieles mehr gespeichert sind, viel schneller ist, als unser Bewusstsein. Natürlich können wir auch unser Unterbewusstsein mit dem Bewusstsein beeinflussen, aber wir haben es hier mit einer Art Wechselwirkung zu tun. Dazu kommt, dass wir so an die 60.000 Gedanken am Tag haben. Zu glauben, dass Sie diese alle kontrollieren können, ist ein großer Irrtum.
Was passiert also bei Veränderungen, bzw. schon bei dem Gedanken daran? Da jede Veränderung zunächst einmal Unsicherheit bedeutet, wird eines der menschlichen Grundbedürfnisse gestört – nämlich dem nach Sicherheit. Das gilt natürlich ganz besonders für jede Art von Veränderung, die Sie nicht selbst initiieren. Und deshalb ist es gerade in Unternehmen so schwierig, erfolgreiche Veränderungen durchzuführen.
Der hohe Veränderungsdruck von außen wird häufig dafür verantwortlich gemacht, dass Organisationen zunehmend negativ auf Veränderungen reagieren. Und wenn man bedenkt, dass sich Mitarbeiter wegen der vielen und schnell aufeinander folgenden Changeprojekte in einem permanenten Unsicherheitszustand befinden, ist das sicherlich richtig. Aber ich glaube nicht, dass die äußeren Einflussfaktoren allein dafür entscheidend sind, dass Unternehmen Schwierigkeiten mit Change haben. Vielmehr ist es die Unternehmenskultur, die maßgeblich dafür ist, wie Mitarbeiter mit Veränderungen umgehen.
Change Leadership statt Management
Und hier kommt das Change-Management ins Spiel. Der Name ist Programm. Es ist halt Management und nicht Leadership. Mit Change-Management erzeugen Sie Compliance. Sie organisieren, planen und budgetieren. Sie leiten einen Prozess, dessen Ziele sich aus Notwendigkeiten ergeben. Und Sie kontrollieren die Ergebnisse.
Und die Wirkung auf die Mitarbeitenden? Sie werden in eine bestimmte Richtung gedrängt, fühlen sich hilflos der Veränderung ausgesetzt und sind mit großer Wahrscheinlichkeit unzufrieden. Das erzeugt Widerstand. Der ist nicht immer aktiv, sondern sehr oft passiv. Und je öfter Mitarbeiter schon durch Change-Prozesse geschleust wurden, die am Ende dann doch nicht vollständig implementiert wurden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie einfach erstmal schauen, was so passiert. Ich nenne das „entschiedenes Abwarten“.
Aus meiner Sicht brauchen Sie Change-Leadership. Was ist der Unterschied? Mit Leadership erzeugen Sie Commitment. Sie schlagen neue Wege ein und entwickeln eigene Ideen. Ihre Ziele sind dementsprechend selbst gesetzt. Leader wollen Menschen für ihre Visionen begeistern, sie wollen motivieren und inspirieren. Sie erzeugen so eine positive Energie und beteiligen die Mitarbeiter an dem Prozess. Damit erhöhen Sie die Chance, dass viel mehr Menschen die positiven Aspekte der Veränderung sehen.
Eine positive Haltung ermöglichen
Ihre Aufgabe als Leader ist es nicht, den Change zu managen, sondern sich um die Rahmenbedingungen zu kümmern, die eine positive Haltung und Energie ermöglichen und Widerstände auflösen. Und ja, keine Frage: Sie werden immer mit Gegenwind rechnen müssen. Aber Sie haben auch immer Möglichkeiten, mit diesen Themen umzugehen.
Um Veränderungen zum Erfolg zu bringen, sind drei Punkte unabdingbar.
- Sie treffen Ihre Entscheidung – und Sie bleiben dabei. Ihr Commitment für Ihr Veränderungsvorhaben ist die Grundvoraussetzung. Wenn Sie noch überlegen, ob Sie etwas machen sollten oder nicht, lassen Sie es. Der Konjunktiv hat hier nichts verloren, also vergessen Sie sollte, müsste oder würde. Wenn Sie nicht committed sind, warum sollten es andere sein?
- Sie brauchen ein wirklich kraftvolles und emotionales Ziel. Und nein, etwas in der Art von einer Umsatz- oder EBIT-Steigerung um 17 Prozent ist kein solches Ziel. Verwenden Sie ausreichend Zeit auf Ihre Vision, Sie brauchen ein klares Bild und müssen Ihre Vision voller Begeisterung rüberbringen können.
- Kommunizieren Sie Ihre Vision immer und immer wieder. Es reicht nicht, wenn Sie zu Beginn des Veränderungsprozesses es einmal erzählen und dann denken, alle hätten es verstanden. Das ist nämlich nie der Fall. Gute und wirksame Kommunikation muss über den gesamten Veränderungsprozess erfolgen. Und die Betonung liegt auf Kommunikation. Wenn Sie nur informieren ist das nicht genug. Sie müssen sowohl auf der kognitiv-rationalen als auch auf der emotionalen Ebene kommunizieren, damit Ihr Change zum Erfolg wird.
Und dann heißt es dranbleiben – denn Veränderung braucht Zeit, bis sie nachhaltig verankert ist. Das bedeutet auch, dass Ihr Commitment bis zum erfolgreichen Abschluss Ihres Change-Projektes sichtbar und erlebbar sein muss.